Schreiben ist eine Form persönlicher Freiheit (DON DE LILLO)

Herzlich Willkommen auf meinem Blog. Hier möchte ich in unregelmäßigen Abständen meine Gedanken und Positionen zu unterschiedlichen politischen Themen aufschreiben.

18. September 2010

Solidarität unter Bürgern


Veröffentlicht in der Tageszeitung „DIE WELT“ vom 18.09.2010 unter der Überschrift:

Verantwortung nicht abgewöhnen

Das Bewusstsein, dass es "gerecht" zugeht, hat unmittelbaren Einfluss auf Zusammenhalt und Solidarität, es ist ein zentraler Stabilitätsfaktor einer Demokratie. Gerechtigkeit entsteht im Spannungsfeld von Freiheit und Verantwortung. Und Verantwortung braucht Rahmen und Raum. Zum Beispiel bei der Elternverantwortung: Gutscheine für die Kinder arbeitssuchender Eltern bevormunden alle, nur weil Einzelne sich verantwortungslos verhalten, und wirken damit kontraproduktiv. Wie beim Betreuungsgeld gilt auch hier: Eltern eine Aufgabe nicht zuzutrauen, die originär in ihren Verantwortungsbereich gehört, führt zu ihrem Rückzug aus dieser Aufgabe.

Gerechtigkeit heißt aber auch: Wo sich der Einzelne nicht aus eigener Kraft helfen kann, muss Solidarität so umgesetzt werden, dass mit den Geldern des Steuerzahlers verantwortungsvoll umgegangen wird. Dazu gehört, dafür zu sorgen, dass jeder, der staatliche Hilfe bekommt, Verantwortung dafür übernimmt, sich seinerseits solidarisch zu verhalten. Konkret: Er hat alle gebotenen Anstrengungen zu unternehmen, um schnellstmöglich wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Sozialleistungen sind keine Daueralimentation, sondern bieten ein "Gästezimmer" auf Zeit. Wer von seinen Mitbürgern finanziell unterstützt wird, hat selbstverständlich jeden Arbeitsplatz anzunehmen - auch wenn er damit manchmal finanziell zunächst kaum besser dasteht als im Transferbezug. Und gerade der, der auf Kosten der Gemeinschaft lebt, hat schnellstens unsere Sprache zu lernen und steht für seine und die Integration seiner Familie in der Verantwortung.
Ich bin überzeugt, dass jeder bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Das Verantwortungsbewusstsein unserer Bürger ist aber dennoch ein kostbares Gut, mit dem wir sorgsam umgehen müssen. Im politischen Alltag ist die Versuchung groß, Lösungen abzunicken, die zwar möglicherweise pragmatisch sind, aber fatale Signale aussenden, weil sie den Verantwortungsraum einschränken, statt ihn zu schützen. Nichts untergräbt ein Klima der Eigenverantwortung so gründlich wie ein bevormundender Staat. Wer Verantwortungsvolle bevormundet und bei denen, die unsere Solidarität erfahren, keine Eigenverantwortung einfordert, stört das Gerechtigkeitsgefühl der Bürger. Der Staat hat den Bürgern in zu vielen Bereichen die Eigenverantwortung abgewöhnt. Bürgerliche und christlich-soziale Politik muss jetzt auf den Rückgewinn der Verantwortung setzen.


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christine.haderthauer@googlemail.com